Theater

Das Theater der Musik und Maske „VENEZIA“

„Während ich schreibe,
rauscht das Meer zu mir herauf,
und ich schließe die Augen.
Ich schaue in eine ungeborene
und schemenhafte Welt hinein,
die geordnet und gebildet sein will,
ich sehe in ein Gewimmel
von Schatten menschlicher Gestalten,
die mir winken, dass ich sie banne und erlöse:
tragische und lächerliche
und solche, die beides zugleich sind,-
und diesen bin ich sehr zugetan.“
Tomas Mann: „Tonio Kröger“, 1903

Das Theater ist 2007/2008 als Synthese jahrelanger Faszinationen seiner Gründerin, Beata Wielopolska, entstanden. Venezianische Masken und Kostüme mit ihrer Möglichkeit der völligen Verwandlung, Theater, Pantomime, aber auch europäische Malerei, architektonischer Raum und klassische Musik verbinden sich hier zu einem Gesamtkunstwerk.

Nach einigen Fotoausstellungen, oft verbunden mit einem Happening in Kostümen, vor allem aber nach Freilichtparaden, die auf ein Zusammenspiel mit dem Publikum hinzielten, haben die maskierten Gestalten die Vorstellungskraft der Autorin vollständig ergriffen. Sie ging daran, für ihre Entfaltung sowohl den Raum – über die Begrenztheit einer Bühne hinaus – als auch die Ausdrucksmittel zu erweitern. Pantomime und Tanz haben daran einen wachsenden Anteil.

Die Basis des Theaters bildet eine weltweit einzigartige, durch den Karneval von Venedig inspirierte Sammlung von inzwischen über hundert Kostümen. In Zusammenarbeit mit den Choreografen Ryszard Wojtala und Wacław Gaworczyk ist es gelungen, das Rätsel der maskierten Gestalten, die mancherorts als „zu statisch“ empfunden werden, in Bühnenbewegung zu übertragen.
Der Wechsel von Musik und Ausstattung, bedingt durch die Verschiedenartigkeit der Aufträge, hat wichtige Anstöße zur Suche nach neuen Identitäten und neuen Beziehungen innerhalb der Figuren gegeben. Mit der Entwicklung des Theaterkonzeptes treten aus dem Meer geheimnisvoller Masken zunehmend Charaktergestalten hervor, die Träger universeller Emotionen, Gedanken und Erlebnisse werden. Gesichter, Masken, Mimen – sie alle erzählen ihre eigene Geschichte, verbergen das eigene Rätsel oder aber täuschen etwas vor...

Das Theater der Musik und Maske "VENEZIA" baut sukzessive sein eigenes Repertoire auf, von Bühnenetüden über theatralisch inszenierte Konzerte bis hin zu den umfangreicheren musikalisch-choreografischen Darbietungen. Dabei stützt es sich auf klassische Musik, vor allem die der Barockzeit sowie auf die italienische und französische Oper des 19. Jahrhunderts. Immer häufiger greift es auch die Avantgarde des 20. Jahrhunderts auf. Als eine atypische Erscheinung nimmt es einen Platz an der Schnittstelle mehrerer Gattungen ein und integriert Elemente der „lebendigen Bilder“, der Pantomime, des klassischen Tanzes und des Balletts. Auch die zeitgenössischen Formen des Freilicht- und Strassentheaters sowie des avantgardistischen Tanztheaters finden Eingang. Einen ungemein wichtigen Impuls gab kürzlich der Austausch von Erfahrungen mit dem Polnischen Tanztheater von Ewa Wycichowska.

Für das Titelfoto agieren Beata Wielopolskas Gestalten im Bühnenbild für „Casanova“ von Tadeusz Smolicki im Rahmen der XIII. Sommerbühne in Gdynia-Orłowo, Polen 2008. Wir danken dem Theaterdirektor und Regisseur des Stückes, Jacek Bunsch, für seine freundliche Zustimmung.